Wasserstoffproduktion aus Biomasse      



Seitdem der Mensch das Feuer entdeckte und zum Heizen nutzte, bediente er sich der thermochemischen Umwandlung von Biomasse in Wasserstoff. Jedenfalls teilweise, denn neben Kohlendioxid entsteht bei der Oxidation von Holz auch Kohlenmonoxid und Wasserstoff. Drosselt man die Sauerstoffzufuhr und verwendet besonders nasses Holz, steigert man die Wasserstoffproduktion. Prinzipiell funktioniert genau so die thermochemische Konversion von Biomasse in Wasserstoff. Bisher war bei der Umwandlung von Biomasse in Endenergie aber selten Wasserstoff das Ziel. Die Zielsetzung des Prozess ist aber ganz entscheidend für die technische Durchführung, wie sich später noch zeigen wird. Zunächst einmal soll der Prozess der Dampfreformierung („Steam-Reforming“), zur industriellen Wasserstofferzeugung, beschrieben werden. Dieser wird heute schon mit Erdgas, also Methan, betrieben, um den Wasserstoffbedarf der (chemischen) Industrie zu decken.


(1) CH4 + H2O --> CO + 3 H2 Wasserdampf- Methan-Reaktion


Es kann aber auch Biomasse eingesetzt werden:


(2) Biomasse + H2O --> CO + H2 Wasserdampf-Kohlenstoff-Reaktion [1]


Biomasse und Wasserdampf reagieren in einem Vergasungsprozess endotherm zu Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff. Dieses Gasgemisch heißt auch Synthesegas, es wird bei ca. 850°C hergestellt. Die Vergasung ist mit der Verbrennung vergleichbar, findet jedoch im Gegensatz zu dieser nicht bei Sauerstoffüberschuss, sondern bei Sauerstoffmangel statt. Im Falle der Biomasse kann man auf die partielle Oxidation (Teilverbrennung) zurückgreifen, um die benötigte Energie zum Anschub der Reaktion zu liefern. Diese Energie geht nicht verloren, sondern bleibt durch Wärmerückkopplung im Prozess.[2]

Ein Vorteil des Verfahrens ist, dass alle Arten von Biomasse, d. h. auch biogene Reststoffe verwendet werden können.[3] Das erhöht das Potential enorm.

Biomasse hat außerdem einen hohen Sauerstoffanteil, so dass nur wenig Sauerstoff hinzugefügt werden muss. Dies reduziert die Energieverluste bei der Gewinnung von Sauerstoff.[4]

Bei der partiellen Oxidation entsteht Kohlenstoffmonoxid und zum Teil auch Kohlenstoffdioxid. Dies hat zur Folge, dass das Synthesegas teilweise „unerwünschtes“ CO2 beinhaltet. Daher sollte die Boudouard-Gleichgewichtsreaktion möglichst unterstützt werden.


(3) CO2 + C --> 2 CO Boudouard-Gleichgewicht


Dieses Gleichgewicht stellt sich bei der Umsetzung von CO2 mit dem Kohlenstoff der Biomasse, bei entsprechend hoher Temperatur, zu Gunsten des Produktes (CO) ein.[5] Für die Herstellung von Wasserstoff ist es günstig, dass möglichst viel CO statt CO2 im Synthesegas vorhanden ist, so dass die Wassergas-Reaktion (6) genutzt werden kann. Dazu später mehr.

Ein weiterer Störeffekt für das Ziel Wasserstoff ist die Entstehung von Methan bei der Synthesegasherstellung durch folgende Reaktionen:


(4) Biomasse + H2 --> CH4 Methanisierung


(5) CO + 3 H2 --> CH4 + H2O CO-Methanisierung


Um den Methananteil im Synthesegas möglichst gering zu halten, sollte die Dampf-Methan-Reaktion (1) möglichst unterstützt und die Reaktionen (4) und (5) möglichst unterdrückt werden. Dies kann u. a. durch die Nutzung katalytischer Effekte geschehen (z. B. durch die Wahl eines methanhemmenden Bettmaterials).[6] Ein anderer entscheidender Faktor ist die Reaktortemperatur.






Grafik 1: Gleichgewichtskurven bei Kohlenstoffvergasung


Wie Grafik 1 anschaulich zeigt, ist zur Unterstützung der gewünschten Reaktionen eine hohe Temperaturführung notwendig.


Der „Knackpunkt“ der Wasserstoffherstellung aus Biomasse ist die Gasreinigung, der Wirkungsgrad hängt entscheidend hiervon ab. Bevor aus dem Synthesegas reiner Wasserstoff hergestellt werden kann, muss es von Staub, Teer und Katalysatorgiften gereinigt werden. Auch wenn das prinzipielle Know-How vorhanden ist, besteht hier für eine möglichst optimale Synthesegasreinigung noch Entwicklungs- und Testbedarf.[7] Die H2-Patent GmbH hat ein spezielles Verfahren hierzu entwickelt, worauf im Zusammenhang mit dem Prozesswirkungsgrad noch eingegangen wird.

Die Asche, die bei der Reinigung, anfällt kann als Mineraldünger auf den Acker zurückgeführt werden und so fossile Dünger ersetzen.[8] Sie kann bei Bedarf von Schwermetallen befreit werden, die metallurgisch verwertet werden können. So entgiftet man den Boden.[9]

Wenn man nun reinen Wasserstoff erzeugen möchte, so führt man im Folgenden die Wassergas-Reaktion (shift reaction) durch.


(6) CO + H2O -->CO2 + H2 Wassergas-Reaktion


Kohlenmonoxid und Wasserdampf reagieren mit Hilfe von Katalysatoren bei 200 – 400°C leicht exotherm zu Kohlendioxid und Wasserstoff.[10]

Kohlendioxid und Wasserstoff müssen anschließend noch voneinander getrennt werden. Dies geschieht in einer Druckwechselabsorptionsanlage („Pressure Swing Absorption“, PSA). Das CO2-H2-Gemisch wird in zylindrische Behälter, die Molsiebe beinhalten, gegeben. Die Behälter werden phasenweise unter Druck gesetzt. Wasserstoff fließt als kleinstes Element (fast) ungehindert durch die Molsiebe hindurch, die hingegen größeren CO2-Moleküle werden eingefangen. Da die PSA-Anlage gewöhnlich mit einem Druck im Bereich von 20-70 bar arbeitet, kann Wasserstoff ohne zusätzliche Verdichtung über ein Rohrleitungssystem transportiert werden.[11]

Shift-Reaktor und PSA-Anlage sind längst Stand der Technik.[12]



Grafik 2: Thermochemische Wasserstoffherstellung


Grafik 2 zeigt noch einmal übersichtlich die Stufen der Wasserstoffherstellung.

Die verschiedenen verfahrenstechnischen Werkzeuge, in denen die oben beschriebenen Prozesse stattfinden, werden in einer „Wasserstofffabrik“ kombiniert. Diese Fabriken werden eher einer Chemieanlage als einem heutigen Kraftwerk ähneln. Statt Thermodynamik kommt die Thermochemie zum Einsatz und es geht kaum Wärmeenergie verloren.


I. Autothermer Wirbelschichtvergasungsreaktor


Ein gut bekanntes Prinzip zur Durchführung der Dampfreformierung, das seit vielen Jahren vor allem in Kohlkraftwerken verwendet wird, ist das der Wirbelschicht. Hierbei wirbelt ein Gas (z. B. H2O-O2-Gemisch) von unten eine Sandschicht auf. Wirbelschichtreaktoren sind Standard in den meisten Industrieländern. Sie werden heute auch genutzt, um aus Biomasse ein für die Verbrennung optimiertes (CO-reiches) Synthesegas herzustellen. Daher wird in diesem Fall möglichst trockene Biomasse eingesetzt, um die H2-Produktion niedrig zu halten. Das ist bei der Herstellung von Wasserstoff nicht notwendig.[13]



Grafik 3: Autothermer Steam-Reformer [14]

Wie in der Abbildung gezeigt, wird Biomasse über eine Schnecke in das Wirbelbett eingepresst und dort zu Synthesegas umgesetzt. Ein H2O-O2-Gasgemisch dient als Wirbelgas.




Die Wirbelschicht in solchen Reaktoren gewährleistet eine gleichmäßige Temperaturverteilung, was für den gewünschten Prozess von Vorteil ist. Es wird eine möglichst hohe Temperatur gehalten, die eine hohe H2-Ausbeute begünstigt und gleichzeitig dafür gesorgt, dass die Temperatur an keiner Stelle zu hoch ist.[15] Biomasse hat einen niedrigen Ascheschmelzpunkt und bei Klumpenbildung würde die Wirbelschicht nicht mehr funktionieren.[16] Daher ist die Temperatur nicht freiwählbar. Das Druckniveau der Reaktoren sollte etwa 20-70 bar betragen. Das ist vergleichbar mit Erdgasreformern.[17] Für einen hohen Druck wird zwar eine etwas stärkere Reaktorwand benötigt, aber die Reaktorleistung steigt, wodurch die relativen Investitionskosten gesenkt werden.


II. Effizienz


Der Schlüssel für eine möglichst ertragreiche energetische Nutzung von Biomasse ist ein hoher Umwandlungsgrad in Wasserstoff. Den Wirkungsgrad für autotherme Reaktoren errechnet der Verfahrensingenieur Karl-Heinz Tetzlaff unter Bezugnahme auf die Erdgasgroßanlage von TOPSØE[18] mit 79%[19]. Der Wert ist auf den Gesamtprozess, d. h. einschließlich Shift-Reaktor und PSA-Anlage, sowie auf den Heizwert der Biomasse bezogen.

Die Wirkungsgrade für andere heutige Erdgas-Reformer werden mit 85,2%, für Biomasse-Reformer mit 83,9% angegeben[20]. Der reale Wirkungsgrad für die Verwendung von Biomasse liegt also 83,9% - 85,2% = 1,3% unter dem für Erdgas. Damit kann man von einem Wirkungsgrad für autotherme Wasserstofffabriken auf der Basis Biomasse von 79% - (83,9% - 85,2) = 77,7% ausgehen.

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) geht von einem Wirkungsgrad im Bereich von 69 bis 72% für Vergasungsanlagen aus, die aus Biomasse Wasserstoff herstellen. Allerdings ist hier zu berücksichtigen, dass von sehr kleinen Anlagen (25 MWth) ausgegangen wird.[21]

Laut dem ForschungsVerbundSonnenenergie (FVS) beträgt die Wasserstoffausbeute 75%.[22]

Zu beachten ist bei allen Wirkungsgradangaben die Zeitabhängigkeit. Das US Department of Energy gibt im Report für Tankstellen-Steam-Reformer auf der Basis Erdgas im Jahr 2002 folgende Entwicklung an: 2001: 80%; 2005: 82%; 2010: 85%.[23] Man kann also davon ausgehen, dass der Wirkungsgrad auch bei Anlagen zur Wasserstoffproduktion im Laufe der Entwicklung und durch die Erfahrungen bei Pilotprojekten noch weiter steigen wird.

Der Wirkungsgrad steigt außerdem mit der Größe der Anlage, da die einzelnen technischen Apparaturen effizienter arbeiten. Durch die Nutzung von Abwärme aus anderen Prozessen für die Kohlenstoff-Wasserdampf-Reaktion, z. B. von Hochtemperaturbrennstoffzellen (Solid Oxid Fuel Cell), kann man ebenfalls den Wirkungsgrad verbessern. Die elektrische Energie der Brennstoffzelle kann für die Nebenapparaturen verwendet werden, z. B. für die Kompression von reinem Sauerstoff aus der Luft.

Eine weitere Option ist die Modifikation der Gasreinigung, so dass möglichst wenige Teerstoffe entstehen.

Karl-Heinz Tetzlaff dazu: „Gereinigtes Synthesegas erleichtert die Wärmerückgewinnung enorm, denn der Wirkungsgrad ließe sich auf über 95% steigern, wenn alle fühlbare Wärme aus dem Synthesegasstrom wieder in den Prozess eingekoppelt werden könnte.“ [24]

Die H2Patent GmbH[25] hat ein entsprechendes Verfahren entwickelt, bei dem die Gasreinigung wie folgt funktioniert:

Synthesegas hat Teergehalte von bis zu 100 mg/m³. Das verklebt jeden Wärmetauscher. Von einer dänischen Anlage wurden bereits 1-5 mg/m³ Teer erreicht, diese Werte genügen den Ansprüchen der Wärmerückführung. Nach dem Verfahren der H2Patent GmbH geschieht die Teervermeidung nicht durch eine Gaswäsche nach der Reformierung, sondern durch primäre Maßnahmen, die die Bildung von Teerstoffen schon im Vergasungsprozess verhindern, bzw. diese cracken sollen. Die Umsetzung der Biomasse erfolgt dazu in zwei Stufen. In der 1. Stufe, der Pyrolyse, bei ca. 600C° entsteht ein Synthesegas welches noch Methan und Teerstoffe enthält. Sie sollen in der 2. Stufe, in der Wirbelschicht bei 900C° aufgespalten werden. Dazu soll ein Bett aus glühendem Kohlenstoff verwendet werden, welches sich im Betrieb auf der Wirbelschicht bildet. Ist ein nahezu teerfreies Synthesegas vorhanden, kann man die Wärme recyceln.

Der Teergehalt sollte aber durch sekundäre Maßnahmen (z. B. über einen Filter) nach dem Reformer auf etwa 0,1 mg/m³ gesenkt werden, damit Teere nicht bei der Gasaufarbeitung und Reinigung stören und Anlagenteile (z. B. die PSA-Anlage) durch längere Standzeiten ökonomischer arbeiten.[26]

Die H2Patent GmbH gibt einen Gesamtsystemwirkungsgrad auf den Heizwert bezogen von 84% an.


flowsheet


Grafik 4: Flow Sheet der H2Patent GmbH


Unter Berücksichtigung des heutigen Stands der Entwicklung und der dazu verschiedenen ermittelten Daten mag der Wirkungsgrad von 84% hoch angesetzt sein. Zu beachten ist außerdem, dass auf den Gesamtprozess gesehen auch noch der Energieeinsatz für den Transport, sowie den Anbau der Biomasse mit eingerechnet werden müssen. Diese Faktoren sind in Wirkungsgradangaben nicht enthalten.







[1] Vgl. Tetzlaff, Karl-Heinz, Wasserstoff für alle, 2008², (Books on Demand, GmbH, Norderstedt), S.350.

[2] Vgl. Tetzlaff, Karl-Heinz, a. .a. O., S.122f..

[3] Vgl. Blauer Turm Herten - Wasserstoff aus biogenen Reststoffen, Ruhr Energy, unter: http://www.ruhrenergy.d e/visitorcentre/projekte/projektdetail.php?lang=de&id=13.

[4] Vgl. Tetzlaff, Karl-Heinz, Wasserstoff für alle, 2008², (Books on Demand, GmbH, Norderstedt), S.351.

[5] Vgl. Atkins, Physikalische Chemie, VCH, 2.Auflage 1996.

[6] Vgl. Tetzlaff, Karl-Heinz, a.a.O., S.358f..

[7] Dr. Ing. Wendel, Wolfgang, H2Patent GmbH, persönliche Auskunft.

[8] Vgl. Tetzlaff, Karl-Heinz, a.a.O., S.94.

[9] Anton, Michael, H2Patent GmbH, persönliche Auskunft.

[10] Vgl. Tetzlaff, Karl-Heinz, a.a.O., S.358f..

[11] Vgl. Tetzlaff, Karl-Heinz, a.a.O., S.362.

[12] Vgl. Wasserstoffanlagen, Air Liquide unter: http://www.airliquide.de/loesungen/produkte/equipment/erzeugung/ee-hyco.html .

[13] Vgl. Tetzlaff, Karl-Heinz, a.a.O., S.357f..

[14] Grafikquelle: Tetzlaff, Karl-Heinz, a.a.O., S.366.

[15] Abhängig von der eingesetzten Biomasse: bei Holz setzt die Ascheerweichung bei 1225 °C ein, bei Weizen schon bei 695 °C.

[16] Vgl. Tetzlaff, Karl-Heinz, a.a.O., S.360.

[17] Vgl. Synthesegasherstellung, FCIO Chemische Industrie unter: http://www.fcio.at/DE/kunststoffe.fcio.at/Wissensw

ertes%20über%20Kunststoff/Kunststoffverwertung/Synthesegasherstellung/Synthesegasherstellung.aspx .

[18] Vgl. S. Winter Madsen, Large Scale Hydrogen Production using TOPSØE Reforming Technology, NPRA Annual Meeting, March 15-17, 1998, San Francisco, California.

[19] Vgl. Tetzlaff, Karl-Heinz, a.a.O., S.365.

[20] Vgl. New and Advanced Processes for Biomass Conversation, H. den Uil et all, ECN report No. ECN-RX-99-007.

[21] Vgl. Perspektiven solarthermischer Verfahren zur Wasserstofferzeugung (S. 33f.), Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Stuttgart, Januar 2008.

[22] Vgl. Forschungsstrategie für Energiegewinnung aus Biomasse, Pressinformation, 6. Februar 2006, unter: http://www.fv-sonnenergie.de/fileadmin/presseinformation/07_02_06_biomasse_01.pdf .

[23] Vgl. Tetzlaff, Karl-Heinz, a.a.O., S.368.

[24] Tetzlaff, Karl-Heinz, a.a.O., S.370.

[25] H2PatentGmbH unter: http://www.h2patent.eu/index.php .

[26] Die Verfahrensbeschreibung bezieht sich auf persönliche Auskünfte von: Michael Anton, Hayo Sieckmann, Karl-Heinz Tetzlaff, Wolfgang Wendel, alle H2Patent GmbH.